Am 27.06.2024 wurde der Haushalt 2024 im Spenger Stadtrat verabschiedet. In meiner Haushaltsrede habe ich die desolate Finanzlage unserer Stadt und die Hintergründe erläutert:
„Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Vor uns liegt der Haushaltplanentwurf für das Jahr 2024. Wir sind spät dran, es ist bereits ein halbes Jahr verstrichen. Nach den Corona-Jahren und der Krise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hatten wir gehofft, dass die Kommunen endlich in ein ruhiges Fahrwasser zurückkehren werden. Doch weit gefehlt: Die finanzielle Misere hat sich weiter verschlimmert.
Bereits in den vergangenen Jahren hatte sich die Entwicklung angekündigt – sie wurde nur mit bilanziellen Buchungstricks verschleiert. Ohne die Buchungstricks zeigt sich das ganze Ausmaß der finanziellen Talfahrt:
Nachdem jahrelang Buchgewinne eine heile Welt vorgegaukelt haben, zeigt sich nun ein Defizit von 5 Mio. Euro. Den Erträgen von knapp 32 Mio. Euro stehen Aufwendungen von fast 37 Mio. Euro gegenüber.
Wie konnte das passieren?
Die Erträge sind seit 2020 um rund 20% gestiegen. Auf den ersten Blick eine Steigerung im Rahmen der allgemeinen Preissteigerungen. Aber die Aufwendungen sind mit über 35% noch viel schneller gestiegen.
Was sind die Gründe?
Ich könnte jetzt einen langen Vortrag über die vielen Gründe der Kostensteigerungen halten, aber ich möchte mich auf einige wesentliche Punkte konzentrieren.
Auf der Ausgabenseite sind die der größten Posten die Kreisumlagen:
Seit 2020 stiegen die allgemeine Kreisumlage und die Jugendamtsumlage zusammen um 44% an. Allein diese Steigerung verursacht Mehrkosten von 4,5 Mio. Euro. Ein wesentlicher Kostentreiber sind die Kosten für das Jugendamt – eine Steigerung über 60%! Hier ist etwas aus dem Ruder gelaufen. Immer höhere Standards lassen die Kosten explodieren. Es ist die Aufgabe des Landrats, mit seiner Kreisverwaltung Einsparmöglichkeiten zu erarbeiten.
Die Verbesserung der Kinderbetreuung ist ein wesentlicher Baustein für die gleichberechtige Teilnahme von Eltern am Arbeitsleben. Natürlich sind die Rechtsansprüche auf Kindergarten- und OGS-Plätze wünschenswert. Aber wer die Leistung bestellt, muss sie auch bezahlen. Wenn es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, dann muss diese Aufgabe auch gesamtgesellschaftlich bezahlt werden.
Die Älteren kennen noch den Begriff Konnexitätsprinzip: Das Konnexitätsprinzip besagt, dass Aufgaben- und Finanzverantwortung jeweils zusammengehören. Die Staatsebene, die über eine Aufgabe entscheidet, ist auch für die Finanzierung zuständig. Sich für die bessere Kinderbetreuung selbst zu loben, aber die Kosten den Kommunen aufzubürden, ist unanständig.
Weitere große Kostentreiber sind die Kosten für Asylbewerber und kaum ein Thema polarisiert die Wähler so wie das Thema Asylbewerber:
- Wer soll Asyl bekommen?
- Sollen abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden?
- Wo sollen Asylbewerber wohnen?
- Wie viel Geld sollen die Asylbewerber bekommen?
Diese Fragen spalten seit Jahren unsere Gesellschaft – aber darüber entscheiden wir nicht in Spenge. Trotzdem müssen wir in Spenge die enormen Aufgaben übernehmen. Wir müssen hunderte Asylbewerber unterbringen und es werden immer mehr. Wir unterhalten nicht ein Asylbewerberheim, sondern haben inzwischen zahlreiche Immobilien. Wir müssen regelmäßig zusätzliche Gebäude kaufen, um den stetigen Zustrom zu bewältigen. Es fehlen Integrationsmaßnahmen, es fehlen Wohnungen und es fehlen Arbeitsplätze. Und das alles verursacht enorme Kosten in Spenge. Hier muss eine Lösung auf Bundesebene gefunden werden. Aber die Probleme werden nicht angepackt. Diese Verweigerungshaltung der Bundesregierung ist unverantwortlich.
Was sind die Folgen für unser Land?
Zum Wesen der Demokratie gehört es, dass die Wähler Regierungen abwählen, die Probleme nicht lösen. Wir sahen bei der Europawahl, dass die Regierungsparteien massiv verloren haben, während Protestparteien immer mehr Zulauf erhalten. Die Bundesregierung muss sich jetzt zusammenreißen und das letzte Jahr bis zur nächsten Wahl die Probleme dieses Landes angehen.
Was machen wir in Spenge anders?
In Spenge bemühen wir uns um eine ernsthafte Politik. Wir versuchen, die Probleme zu lösen, die wir hier lösen können.
Ein dringendes Problem ist die Grundsteuerreform. Trotz aller Warnungen wurde 2019 eine Grundsteuerreform im Bundestag verabschiedet, die systematisch zu Mehrbelastungen für Wohnimmobilien führen wird. Der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte vollmundig versprochen: „Ich versichere Ihnen, dass es nicht zu einem höheren Steueraufkommen kommen wird.“ Das war schon damals übergriffig, da der Bundesfinanzminister nicht die Grundsteuer-Hebesätze festlegt. Er schürte bei den Bürgern Erwartungen, die wir jetzt enttäuschen müssen. Aus der Not heraus müssen wir in den Kommunen dieses Versprechen brechen – das beschädigt das Vertrauen in die Politik.
Die Landesregierung versucht in letzter Minute mit differenzierten Hebesätzen für Wohn- und Gewerbeimmobilien das Problem zu mildern. Als CDU-Fraktion stellen wir deshalb den Antrag, die Verwaltung mit der Prüfung zu beauftragen, ob die differenzierten Hebesätze hinreichend rechtssicher beschlossen werden können, um Wohnungsbesitzer und Mieter zu entlasten.
Haushalt 2024
Im letzten Jahr hatte ich gesagt, dass unser Ziel die Vermeidung eines Haushaltssicherungskonzepts sein müsse. Mit einer Konzentration auf die Kernaufgaben sollten wir in Spenge versuchen, das Abrutschen in die Haushaltssicherung zu vermeiden. Der brutale Absturz in diesem Fiskaljahr lässt auch die Ansprüche sinken.
Jetzt ist ein genehmigungsfähiger Haushalt mit Haushaltssicherungskonzept schon das Höchste der Gefühle – dies zeigt die desolate Finanzlage unserer Stadt.
In unserer Situation müssen wir uns auf die wesentlichen Aufgaben in unserer Kommune konzentrieren. Wir müssen unsere Infrastruktur erhalten und dafür notwendige Investitionen sichern. Dafür brauchen wir einen genehmigungsfähigen Haushalt.
Als Vertreter unserer Stadt müssen wir unpopuläre Maßnahmen beschließen. Es wird notwendig, Gebühren und Beiträge den steigenden Kosten anzupassen. Einen kleinen Beitrag leisten auch wir Ratsmitglieder, indem wir die Zahl der Wahlbezirke reduziert haben.
Im Haushaltsicherungskonzept ist eine jährliche moderate Anhebung der Hebesätze geplant, um die Bürgerinnen und Bürger nicht zu überlasten. Aber es ist erschreckend: Für das Haushaltsicherungskonzept müssen wir die Grund- und Gewerbesteuerhebesätze mindestens in den nächsten neun Jahren anheben, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erhalten. Und das auch nur, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen positiv sind.
Ohne eine grundlegende Änderung in der Bundespolitik droht uns wie vielen anderen Kommunen die Überschuldung – trotz steigender Grund- und Gewerbesteuern. Die Bundesregierung muss die uns übertragenen Aufgaben entweder reduzieren oder die Kommunen mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausstatten.
Wir haben keine Möglichkeiten, mit eigenen Einsparungen einen Haushaltsausgleich zu erreichen.
Der vorliegende Haushalt offenbart schonungslos die desolate Finanzlage unserer Stadt. Und trotzdem haben wir uns entschieden, dem vorliegenden Haushaltsentwurf zustimmen. Nicht weil uns das Zahlenwerk oder die Steuererhöhungen gefallen, sondern weil wir ohne einen Haushalt die kommunale Selbstverwaltung aufgeben.
Die kommunale Selbstverwaltung ist eine der Säulen unserer Demokratie – ihre Zerstörung hätte unabsehbare Folgen für uns alle.
Noch ist Zeit, das Steuerrad umzudrehen. Ich hoffe, dass diese Botschaft ankommt.“